Winnetou (Gerd Haehnel)

1. Text

Die folgenden Unterrichtsvorschläge beziehen sich auf die Erzählung „Winnetou“ von Gerd Haehnel in Paternoster – Vom Auf und Ab des Lebens (S. 12 – 21)“. Diese Sammlung kürzerer Erzähltexte, verfasst von 20 renommierten Autoren, darunter Herausgeber Christian Oelemann, ist 2015 erschienen  im Verlag 3.0. Wenn Sie den Text im Unterricht verwenden möchten, können Sie das Buch hier kaufen:
http://verlag-shop.com/Paternoster-vom-Auf-und-Ab-des-Lebens
Sie unterstützen damit gleichzeitig ein Kinderhospiz in Wuppertal, denn alle Autorenhonorare werden dorthin gespendet.

2. Bild von Malte Roß zu „Winnetou“

Alle Rechte Wuppertal 2015 bei Malte Ross

Alle Rechte Wuppertal 2015 bei Malte Ross

3. Text von Malte Roß zu Winnetou

Lieber Herr Haehnel,

wie Sie wahrscheinlich wissen, hat mich Christian Oelemann gebeten, das Buchcover und einige Bilder zu der von ihm herausgegebenen Anthologie „Paternoster“ zu entwerfen. Als sein Freund bin ich seiner Bitte natürlich gerne nachgekommen und befinde mich gegenwärtig mitten im Arbeitsprozess.
Von den Erzählungen, die in der Anthologie vertreten sein werden, hat mich Ihr „Winnetou“ so sehr beeindruckt, dass ich in vergangenen Tagen versucht habe, mein Leseerlebnis in einem Bild wiederzugeben.

 

Um für Sie nachvollziehbar zu machen, welches Konzept ich bei meiner Arbeit verfolge und aus welchem Blickwinkel ich mich mit Ihrer Erzählung auseinandergesetzt habe, möchte ich Ihnen ein wenig über meine Vorgehensweise berichten:

 

Für alle Innenillustrationen zu „Paternoster“ verfolge ich ein unter dem Gesichtspunkt der grafischen Aufgabenstellung reizvolles und, wie ich hoffe, auch für den Betrachter interessantes Gestaltungskonzept:

 

Ich möchte nämlich versuchen, einzelne Motive der in der Anthologie versammelten Erzählungen, die mir bei der Lektüre besonders aufgefallen bzw. als gedankliche Assoziation oder Vorstellungsbild in den Sinn gekommen sind, mit einem Detail oder einer besonderen, vielleicht auch fremd anmutenden Ansicht eines Paternosters zu konfrontieren und beide in einen völlig neuen, unter Umständen auch ungewohnten Gestaltungskontext einzubringen.

 

Dabei lasse ich mich durchaus auch von Zufällen leiten, zumal es nicht meiner Absicht entspricht, das vorhandene Textgeschehen einfach zu illustrieren, sondern eine zwar auf den Text bezogene, doch weitgehend eigenständige Bildaussage zu entwickeln.

 

In Ihrer Erzählung „Winnetou“ geht es zwischen Uwe und dem Ich-Erzähler eigentlich gar nicht so sehr um den Indianerhhäuptling selbst, sondern in erster Linie um Nscho-tschi, Winnetous Schwester, an die sich die ergrauten Blutsbrüder nach fast 50 Jahren mit erstaunlicher Intensität erinnern. Genauer gesagt: um die frühpubertäre Projektion der ebenso berühmten wie unerreichbaren Indianerfrau – im Film wie in der Vorstellungswelt der Kinder durch Marie Versini repräsentiert – auf die nicht weniger bewunderte Mitschülerin Marie.

 

Auch wenn sich diese rein äußerlich deutlich vom indianischen Vorbild unterscheidet – anders als bei der Indianersquaw im Film sind ihre Zöpfe blond – das Mädchen aus der Parallelklasse verwandelt sich in der Wunsch- und Vorstellungswelt der Jungen ganz selbstverständlich in so etwas wie eine Schwester Nscho-tschis, lächelt sie doch genau so wie das Filmvorbild und trägt auch denselben Vornamen.

 

Wie Pech und Schwefel haben die beiden längst in die Jahre gekommenen Männer des Wilden Westens  schon zu Schulzeiten zusammengehalten und gemeinsam, aber auch füreinander Pläne geschmiedet. Ganz besonders, als „Winnetou“ sich nach Kräften bemüht und nichts unversucht gelassen hat, um für den Blutsbruder Nscho-tschi, eben jene Klassenkameradin Marie, als Freundin zu gewinnen. Auch wenn dieses Bemühen nur von geringem Erfolg gekrönt war, ist „Old Shatterhands“ Dankbarkeit dem Indianerfreund gegenüber geblieben, ja diese nimmt offensichtlich noch einmal deutlich zu, als „Winnetou“ dem Blutsbruder die vermeintlich geheimen Zeichen Maries in dessen Autogramm-Sammelheft ein wenig frei, aber im Ergebnis unzweifelhaft günstig für den Empfänger zu deuten vermag.

 

So wie Nscho-tschi/ Marie auch nach Jahrzehnten noch einen festen Platz in Herz und Gedächtnis der nun schon leicht betagten Heroen des Wilden Westens behauptet, so begegnet den Paternosterfahrern bei ihrer Reise in die Vergangenheit auf einer Station eben jenes „Doppelideal“ von damals – nicht mehr leibhaftig, sondern als der aus Kinder- und Jugendtagen vertraute „Bravo- Starschnitt“ (damals heißbegehrtes Sammelobjekt aller Fans), der sie fröhlich begrüßt und zum gedanklichen Verweilen auf dieser frühen Station der eigenen Biografie und Erinnerung einlädt. Und sie sehen sich selbst – in ihren damaligen Film-Vorbildern (Pierre Brice und Lex Barker), den Kult- und Identifikationsfiguren, die sie über Jahrzehnte ihres Lebens begleitet haben.

 

In der Hoffnung, dass Sie in meinem Bild einen würdigen Begleiter für Ihre Erzählung sehen können, grüße ich Sie ganz herzlich

 

Ihr Malte Roß

4. Vorschläge für den Unterricht

  • Ausdrucken des Bildes in A4, Herumzeigen in der Klasse, Vermutungen zum möglichen Inhalt in der Klasse sammeln
  • Aufhängen des Bildes in der Klasse
  • Vorinformationen unter Einbeziehung des Bildes zu: Karl May, Winnetou, Old Shatterhand, Nscho-tschi und Ihre Ermordung durch die Santer-Bande, die Verfilmung und ihre Rezeption in den 6oer Jahren, die Neuverfilmung bei RTL 2016
  • Vorlesen der Erzählung
  • Reaktionen der Schüler/innen zum Text
  • Vergleich der eigenen Eindrücke mit denen von Malte Roß
  • Schreiben einer eigenen „Winnetou-Geschichte“; Leserbrief an den Autor bzw. Maler

5. Erfahrungen im Unterricht

Ich habe die Erzählung in einer 6. Klasse am Gymnasium vorgelesen. Sie wurde von allen verstanden, etwa die Hälfte der Schüler/innen fand sie sehr spannend.