Ohrenöffner – Traumreisen

Musik hören: eine Lieblingsbeschäftigung von vielen Kindern und Jugendlichen, und doch eine Kunst, die immer mehr verloren geht?

Hier sollen Konzepte, teilweise auch für die Freiarbeit, vorgestellt werden, die im Musikunterricht dabei helfen, sich mit Freude neuen Formen des Hörens zuzuwenden.

Michael Bromm: Ohrenöffner für Kinder: 20 Hörbeispiele aus 1000 Jahren Musikgeschichte. Arbeitsheft und CD.

Ohrenöffner für KinderDie Ohrenöffner sind so konzipiert, dass sie sich auch von LehrerInnen einsetzen lassen, die nicht über eine Musikausbildung verfügen, und zwar von der musikalischen Früherziehung über die Grundschule bis hin zur Orientierungsstufe, bzw. was die Auswahl der Musikstücke angeht auch noch darüber hinaus.

Ziel der Ohrenöffner ist eine Beschäftigung mit vielfältiger Musik mit möglichst vielen Sinnen, die normalerweise nicht zum Hörrepertoire von Kindern und Jugendlichen gehören.

Alle 20 Ohrenöffner beginnen zunächst mit einer kurzen Erzählung, die vorgetragen werden kann. Es folgen  Hörfragen, die aus der Musik heraus beantwortet werden können sowie so genannte Hörspiele, bei denen es sich um unterschiedlichste Spiel- und Gestaltungsaufgaben zur Musik handelt, deren Vielfältigkeit fasziniert. Schließlich finden sich Vorschläge für ein Hörtagebuch sowie teilweise weitere Anregungen wie Rästel, Puzzle, die Bauanleitung für ein Brummrohr usw.

Zum Material gehören außerdem Praxistipps, eine Instrumentenkartei sowie Frage- und Antwortkärtchen zur Instrumentenkunde, so dass sich die Ohrenöffner nicht nur für den normalen Musikunterricht, sondern auch für die Freiarbeit eignen. Hier das Inhaltsverzeichnis:

A Wat de buer nich kennt, dat freet he nich

B Praxistipps für uns Lehrer/innen
Hörfragen  . Hörspiele  . Hörtagebuch  . Freiarbeit  . Arbeit mit der Instrumenten-Kartei

C Arbeit mit den Ohrenöffnern

D Ohrenöffner

  • Eine Märchengestalt, gemalt mit dem Klavier (Edvard Grieg: Smatrold)
  • Der Bergkönig kommt (Edvard Grieg: In der Halle des Bergkönigs)
  • Wo ist Bruder Anton? (Joseph Haydn: Rondo, Divertimento, B-Dur)
  • Was ist das für ein Mann? (Wolfgang Amadeus Mozart: Ein Mädchen oder Weibchen)
  • In den Ferien (Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 6, F-Dur)
  • Zwei Instrumente tanzen (Carl Philipp Emanuel Bach: Duo für Klarinette & Fagott)
  • Der Vogelwettstreit (Georg Friedrich Händel: Der Kuckuck & die Nachtigall, Orgelkonzert)
  • Welche Tageszeit ist es? (Modest Mussorgski: Eine Nacht auf dem Kahlen Berge)
  • Welche Farbe hat diese Musik? (Charles lves: The unanswered Question)
  • Der tanzende Teufel (Johann Sebastian Bach: Ein feste Burg ist unser Gott)
  • Wird der Bauer Schützenkönig? (Carl Maria von Weber: Viktoria! Viktoria!)
  • Ein Schiff in Seenot (Nikolai Rimsky-Korsakoff: Das Schiff zerschellt am Magnetberg)
  • Nacheinander treten auf (Charles Mingus: Better get it in your Soul)
  • Lob, Ruhm und Ehre (Gregorianischer Choral: Gloria laus et honor)
  • Es wird Licht (Joseph Haydn: Die Schöpfung)
  • Ein Traum (Edvard Grieg: Ases Tod)
  • Karla Kröte (Neal Hefti: Teddy the Toad)
  • Im Käfig (Charles lves: In the Cage)
  • Wo geht der Wanderer? (Franz Schubert: Forellenquintett, 4. Satz)

E Instrumentenkartei

F Frage-/Antwortkärtchen

G Kommentierte Bibliografie

Traumreisen zur Musik

Der folgende Text stammt aus: Gerd Haehnel: Möglichkeiten offenen Unterrichts an der Gesamtschule. Essen, unveröffentlichte Diplomarbeit 1990, S. 119-124

“Phantasiereisen, auch Traumreisen genannt, gehören zu den bekanntesten Methoden in der Pädagogik, die aus dem Bereich der Gestalttherapie stammen. (Vergl. Burow, Olaf-Axel: Grundlagen der Gestaltpädagogik. Verlag Modernes Lernen Dortmund 1988, S. 180) Mittlerweile gibt es zahlreiche gute Anleitungen für Traumreisen (vergl. etwa Stevens, John O.: Die Kunst der Wahrnehmung. Übungen der Gestalttherapie. Christian Kaiser Verlag 1978 sowie Müller, Else: Du spürst unter deinen Füßen das Gras. Autogenes Training in Phantasie- und Märchenreisen. Vorlesegeschichten. Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt/M. 1983 und Müller, Else: Auf der Silberlichtstraße des Mondes. Autogenes Training mit Märchen zum Entspannen und Träumen. Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt/M. 1989)

Man begegnet den Traumreisen nicht nur in der Gestaltpädagogik, sondern auch … in der Musikpädagogik (vergl. etwa Pütz, Werner: Musik in der allgemeinbildenden Schule aus sozialpädagogischer Sicht. In: Finkel, Klaus (Hrsg.): Handbuch Musik und Sozialpädagogik. Gustav Bosse Verlag Regensburg 1979, S. 193-199 oder Wallrabenstein, Wolfram: Analytisches und Kontemplatives Hören. Ein kaleidophoner Beitrag zur Didaktischen Interpretation von Musik. In: Zeitschrift für Musikpädagogik. Heft 35/1986, S. 20-36); ja sogar über den Rundfunk werden sie mittlerweile ausgestrahlt (vergl. Behrendt, Joachim-Ernst: Vom Hören der Welt. Das Ohr ist der Weg. 4 CD’s mit Beiheft im Set. Network Medien Cooperative im Vertrieb von Zweitausendeins Frankfurt/M. o.J.)

Während einer Traumreise liegen die TeilnehmerInnen entspannt, nach Möglichkeit mit geschlossenen Augen auf dem Boden. In der Regel beginnt die Traumreise mit einer Entspannungsphase. Dann folgen, meist zu einer entsprechenden Musik, mehr oder weniger konkrete Anweisungen, seine Phantasie schweifen zu lassen, etwa bei der Fahrt mit einem „Boot mit gläsernem Boden“, bei einer „Ballonreise“ oder einer „Sternenfahrt“. (Vergl. Müller 1988, S. 6) Traumreisen können aber auch ohne konkretere Anweisungen geschehen. Man lässt sich dann beispielsweise nur von der Musik führen. Insofern unterscheidet man zwischen gelenkteren und ungelenkteren Traumreisen. „Bei der ersten Form wird mehr vorgegeben, geht es vor allem um themenspezifische Erfahrungen. Bei der zweiten Form werden keinerlei Einschränkungen gemacht, keine Vorgaben, emotionale Aufgaben oder Einengungen…“ (Pütz, Werner: Einige Überlegungen zu grundlegenden Prinzipien. Unveröffentlichtes Manuskript für ein neu geplantes Hauptschulmusikbuch im Klettverlag. Essen 1990, S. 4)

Traumreisen zielen „auf die Steigerung der Kreativität durch Steigerung der Phantasie“ (a.a.O.) bzw. auf eine ganzheitliche Wahrnehmung von Musik, denn „wir sollten uns immer bewusst sein, dass Musik letztendlich mit Sprache nicht zu begreifen ist.“ (Pütz 1990, S. 3)

Besonders wichtig für Traumreisen sind eine angenehme, offene und akzeptierende Atmosphäre und ein anschließendes Auswertungsgespräch, in dem die erlebten Phantasien und Gefühle angemessen aufgearbeitet werden. Die Durchführung von Traumreisen habe ich schon öfter in einer ziemlich oberflächlichen Weise erlebt. Die Musik ist aber ein Medium, das sehr tiefe Erfahrungen ermöglicht. Deshalb weist Werner Pütz mit Recht auf eventuelle Gefahren hin: „Sie sollten sich bei Versuchen in der Klasse bewusst sein, dass, wenn das Gesamtklima nicht stimmt oder einzelne Schüler emotional gefährdet sind, die Durchführung von Phantasiereisen auch Gefahren birgt, nämlich dann, wenn Gefühle ausgelöst werden, für deren Bearbeitung die Klassensituation nicht geeignet ist. Auch muss in jedem Fall das Prinzip der Freiwilligkeit gewährleistet sein.“ (Pütz 1990, S. 4)

Traumreisen habe ich zum einen mit meiner Klasse durchgeführt, aber nur bei den Klassenfahrten, weil da eine freiwillige Teilnahme möglich war; zum anderen gehören sie zum Wahlpflichtbereich I (Schulversuch Musik), der ja von den SchülerInnen auch freiwillig gewählt worden ist. Allerdings hatten hier die SchülerInnen, sofern sie an den Traumreisen nicht teilnehmen wollten, die Möglichkeit, ihre Eindrücke von der Musik zu malen oder aufzuschreiben. In beiden Fällen nahmen maximal 22 SchülerInnen an den Traumreisen teil.

Begonnen habe ich immer mit gelenkteren Formen und ruhigerer Musik. Diese lösen in der Regel nicht so tiefgehende Gefühle aus. Mit der Zeit, wenn ich die Reaktionen der SchülerInnen besser einschätzen konnte, wurden die Traumreisen immer freier. Sie dauerten etwa 15 Minuten; die Auswertung, meist eine halbe Stunde, schloss sich an. Gerade während der Auswertung ist eine große Sensibilität und Vertrautheit in der Gruppe wichtig.[…]

In aller Regel habe ich versucht, mich stark an den, zunächst vermuteten, später ausgesprochenen Wünschen der SchülerInnen, etwa bezüglich der Musik zu orientieren. […] Allerdings hat es auch immer SchülerInnen gegeben, die keine Traumreisen wollten. Diese Wünsche habe ich stets respektiert, denn dahinter steckt ganz sicherlich meist das Bedürfnis, sich vor eventuellen negativen Erfahrungen zu schützen. Auch sollte man Traumreisen nicht zu oft hintereinander machen, sondern lieber in längeren Abständen, damit sie ihren Reiz behalten.[…]

Die Traumreisen erfordern eine genaue Vorbereitung. […] Nach meiner Erfahrung können sie aber kaum im normalen Fachunterricht durchgeführt werden, sondern bedürfen eines besonderen Organisationsrahmens, da sonst das Prinzip der freiwilligen Teilnahme nicht möglich ist und auch die Gruppen zu groß werden. Ideal wäre im normalen Schulalltag etwa eine Doppelbesetzung, also eine maximale Gruppengröße von 15 SchülerInnen; für die übrigen könnten dann Alternativen angeboten werden. In meiner eigenen Klasse war es kein Problem, nach der Traumreise auch noch in Einzelgesprächen auf aufgekommene Probleme einzugehen. Im Wahlpflichtbereich, wo die SchülerInnen aus sechs Klassen stammen, habe ich in einigen wenigen Fällen, nach vorheriger Rücksprache mit den SchülerInnen, die KlassenlehrerInnen informiert. Das ist ein an unserer Schule übliches Verfahren, wenn man als Fachlehrer bei SchülerInnen auf Probleme o.ä. stößt.”

Abschließend einige Zitate von Schüler/innen aus Auswertungsgesprächen in meinem Unterricht:

  • „Ich war total in der Musik drin. Es gab nur noch mich und die Musik.
  • Und dann sind in ganz kurzer Zeit alle Glücksmomente meines Lebens an mir vorbeigezogen, ein sehr schönes Gefühl.“
  • „Bei einem langen Ton sah ich schwarze Farbe, die Mundharmonika gefiel mir nicht, die Gitarre war schön.“
  • „Ich habe mich zunächst nicht recht konzentrieren können, dann habe ich mich aber ganz entspannt und von einer ‚Eins‘ geträumt und dass ich meine Arbeit ganz gut schreiben kann. Wir schreiben nämlich in der nächsten Stunde eine Deutsch-Arbeit.“
  • „Ich fand die Musik ziemlich traurig, wie auf einer Beerdigung, als mein Vater beerdigt wurde.“
  • „Ohne Text ist sie viel besser, da fühlt man sich viel freier, nicht dass man sich vorkommt wie der ‚Schwarze Ritter‘ und Sie lesen dann gerade etwas von einer Blumenwiese mit Schmetterlingen.“
  • “Diesmal konnte ich überhaupt nichts denken bei der Musik. Besser wäre es, wenn Sie wieder Geschichten dazu vorlesen würden.“