Schriftsteller-Kolleg:innen


In meinem Schreiben lebe ich vom Austausch mit anderen Schriftstellern. An dieser Stelle möchte ich die Arbeit dieser Kolleg:innen, in loser und zufälliger Reihenfolge, vorstellen:  Schauen Sie mal rein in dieses literarische Schatzkästchen!

Jörg Andrees Elten (1927 – 2017)

https://www.hierjetzt.de/

„Sie haben da einen fürchterlichen Roman geschrieben. Ich kann ihn kaum lesen!“

Jörg Andrees Elten, bei dem ich eine Coaching-Stunde mit der Bitte gebucht hatte, sich einmal meinen Viktor-Roman anzuschauen, legte das Manuskript vor uns auf den Tisch. Aus, Ende, vorbei; das war sie dann gewesen, meine Karriere als Erzähler. Ein Urteil aus hochkompetentem Munde, denn Jörg Andrees Elten war in den 60ern / 70ern nicht nur einer der renommiertesten deutschen Journalisten (bei der Süddeutschen und beim Stern), sondern er hatte, in meiner Studentenzeit, ein Buch veröffentlicht, das halb Deutschland elektrisierte: „Ganz entspannt im Hier und Jetzt – Tagebuch über mein Leben mit Bhagwan in Poona“. In dem Bestseller schildert er, wie er auf dem Höhepunkt seiner Karriere alles hinschmeißt, um sich in Indien der Bewegung eines spirituellen Lehrers anzuschließen. Ein so packendes Buch, dass es Tausende junger Deutsche in den dortigen Ashram zog. Ich war ebenfalls fasziniert, vor allem aber auch von der Lebendigkeit seines Schreibstils. Wenn ich je meinem Traum vom eigenen Schreiben verwirklichen würde, dann wäre Jörg Andrees Elten ein Vorbild!

Dass es mich nicht ebenfalls nach Indien verschlug, verdanke ich wohl auch meinem Studium an der Reformuniversität Essen, die mir in meinen Fächern Germanistik, Musik, Musiktherapie, Pädagogik und Psychologie jede nur denkbare Kreativität und Entfaltungsmöglichkeit bot. Lehrerausbildung war damals, wie sie eigentlich sein muss: in erster Linie Persönlichkeitsbildung und damit auch ein wunderbarer Nährboden für alle fachwissenschaftlichen Inhalte. Warum sollte ich diesen Reichtum aufgeben? Und mich dazu? In einem Ashram? Ich hatte doch gerade erst begonnen, mich zu finden.

Vor etwa 15 Jahren verbrachte ich dann, eher zufällig, ein paar Urlaubstage in diesem wunderbaren Hotel Gutshaus Stellshagen. (Übrigens der einzige Ort auf dieser Welt, außer zu Hause in unserem  wunderschönen Ruhrpott, an dem ich einmal gedacht habe: Hier könnte ich bleiben!) Wie überrascht war ich, dass auch Jörg Andrees Elten mit seiner Frau Martina Kaltenbach dort wohnte und Seminare anbot, auch Schreibseminare. Und eines Tages traute ich mich tatsächlich; ich buchte so ein Coaching und schickte Jörg Andrees Elten mein Manuskript.

Er hatte mich in sein Haus eingeladen, und zunächst war ich überrascht, wie sorgfältig er sich vorbereitet hatte. Richtig viel Zeit musste der kluge, alte Mann investiert haben, um all die Anmerkungen an den Rand zu kritzeln, in einer Schrift, die ich nicht lesen konnte. Doch anscheinend konnte auch er nichts mehr mit seinen Notizen anfangen; jedenfalls wirkte er immer wieder irritiert, wenn er darin blätterte. Trotzdem hatten wir ein spannendes Gespräch, über den Tod, über die Bewältigung von Ängsten und all das andere, was das Leben ausmacht. Aber in Bezug auf meinen Roman verstand ich ihn nicht, bis hin zu diesem vernichtenden Urteil von dem „fürchterlichen Roman“.

Doch es war ein Satz aus den vertrauensvollsten Augen dieser Welt, und deswegen war er auch noch nicht zu Ende: „Sie müssen nämlich wissen, junger Mann!“ – Jörg Andrees Elten war nur wenig jünger als mein verstorbener Vater – „Sie müssen wissen, dass ich manches so erlebt habe wie der kleine Viktor, den Sie in Ihrem Roman beschreiben. Deshalb kann ich Ihren Text nicht lesen, er wühlt mich zu sehr auf.“ Dann setzte er mit warmen Augen hinzu: „Wenn Ihr Text in der Lage ist, solche Gefühle bei mir auszulösen, dann sind Sie ein guter Schriftsteller. Schreiben Sie weiter!“ Jörg Andrees Elten erhob sich, wir waren schon lange über die vereinbarte Zeit hinaus, das Coaching war beendet.

Ich war so glücklich über dieses Lob, dass ich mich noch eine letzte Frage traute: „Wenn Sie solche Erlebnisse hatten, Herr Elten, wie konnten Sie dann bloß dieses abenteuerliche, mutige Leben führen, das Sie in Ihren Büchern beschreiben?“ – „Vielleicht, weil ich da raus wollte?“ Er schmunzelte, als wir uns die Hände schüttelten, und rief mir zum Abschied noch nach: „Übrigens müssen Sie schreiben: Viktor liebte seinen Opa. Schreiben Sie unbedingt: Viktor liebte seinen Opa. Beim Schreiben geht es immer um Gefühle!“

Eine Lektion, von der ich noch heute zehre: Viktors Kindheit ist nicht nur von Unglück geprägt, er hat auch Glück mit seinem Opa. Man soll ruhig ehrlich über das Unglück schreiben, aber man soll auch die Hoffnung nicht aus den Augen verlieren. Denn die Dinge finden ins Lot, und es überdauert der Optimismus: So habe ich Jörg Andrees Elten verstanden.

Ein paar Mal sind wir uns noch im Gutshaus begegnet, aber wir haben nie wieder miteinander gesprochen. Vielleicht weil ich die Magie seiner letzten Worte nicht anrühren wollte? Trotzdem wird mir Jörg Andrees Elten bei meinen Besuchen in Stellshagen fehlen, nun , wo er im Januar 2017 gestorben ist. Ein freundlicher Blick voller Vertrauen wirkt manchmal stärker als tausend Worte:

Welches seiner Bücher bzw. CDs soll ich Ihnen empfehlen? Am besten alle, denn das Lebenswerk von Jörg Andrees Elten hat eine Qualität, die überdauern wird. Als erstes vielleicht sein Karma & Karriere, aus dem dieser Satz stammt:

„Vielmehr habe ich über meine ganz persönlichen Erfahrungen mit der Angst geschrieben, die ich für das zentrale Problem unserer Zeit halte. Denn wo Angst ist, gibt es kein Vertrauen. Wo kein Vertrauen ist, gibt es keine Liebe. Wo keine Liebe ist, gibt es Gewalt.“

Danke, Jörg Andrees Elten, danke für Ihr mutmachendes Vertrauen! Ich werde weiter schreiben; derzeit an meinem zweiten Roman; der vielleicht auch wieder ein wenig in Stellshagen spielen wird …

Christian Oelemann

http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Oelemann

Schriftsteller und Buchhändler; lassen Sie sich in seiner freundlichen Ronsdorfer Bücherstube anregen, auch vom Tipp des Monats in seinem Newsletter. Und besuchen Sie unbedingt eine Lesung dort. Vielleicht geht es Ihnen ja wie mir: Erinnern Sie sich an die Buchhandlung des Karl Konrad Koreander zu Beginn von Michael Endes „Unendlicher Geschichte“? Immer wieder hatte ich mich nach der „geheimnisvoll-wissenden“ Atmosphäre einer solchen Buchhandlung gesehnt. In Wuppertal-Ronsdorf habe ich viel davon gefunden.

Die Ronsdorfer Bücherstube in Wuppertal

Die Ronsdorfer Bücherstube in Wuppertal

Hier ein Roman von Christian Oelemann: Wie ein Hundertjähriger aus dem Fenster steigt, wissen wir nun aus den Bestsellerlisten, aber was passiert, wenn ein 63jähriger, recht gut betuchter Ruheständler auf „Dumme Gedanken“ kommt?

Und dann noch das „Freundschaftsspiel“, das ich wirklich genossen habe, höchst empfehlenswert: ein weiterer Meilenstein von Christian Oelemann in seiner ganz  persönlichen unendlichen Bücher-Geschichte.
Inhaltsangabe/Rezension von Dieter Wunderlich

Nur für Erwachsene kenne ich noch nicht, aber ich bin gespannt darauf. Wie Christian seinen Schreibstil wohl dieses Mal verändert hat? Denn ich weiß es ja: Er schreibt niemals gleich. Bewundernswert, wenn man so virtuos mit Sprache umgehen kann!

Herbert Siemandel-Feldmann

http://www.siemandel-feldmann.de/

Lehrer, Künstler, Galerist; traumhaft schön etwa sein Ausstellungskatalog „Tiere zeichnen„, herausgegeben von der ARKA Kulturwerkstatt e.V., Essen 2011

Sylvia Richard-Färber

http://www.die-faerberin.de/

Ihr Pseudonym: Die Färberin; erleben Sie die humorvolle und an Fantasie überschäumende Schweizer Malerin, Autorin und Performance-Künstlerin in einem ihrer Live-Auftritte.

Norbert Then

Nicht als Schriftsteller, aber als Künstler schafft er eine Welt der Kunst aus Magie, Tanz und Traum: ob im Kunstklärwerk oder in der Galerie der Traumfänger auf der Zeche Fürst Leopold in Dorsten. Unvergessen für mich seine Skulpturen zu unserem multimedialen Schattentheaters im Rahmen der Ruhr.2010, hier abgebildet in der Fotodokumentation (hohe Qualität – lange Ladezeit).

Frieder Paasche

http://www.vagantei-erhardt.de/

Kommunikationswissenschaftler, Dipl. päd., Schattenspieler; erleben Sie seine Vagantei Erhardt, eines der weltbesten Schattenspielensembles, im Video; ebenfalls unvergessen unsere Zusammenarbeit im Rahmen der Ruhr.2010, die im Programmheft dokumentiert ist.

Hansueli Trüb

http://www.theaterpack.ch/

Ebenfalls einer der weltbesten Schattenspielprofis, in dessen Kursen ich gelernt habe, wie man ein Kofferschattentheater baut; und seine Idee aus den 1980er Jahren durch eine Papierleinwand zu springen – dies gilt als die Geburtsstunde des modernen Schattentheaters – habe ich schon mehrmals nachinszeniert, hier etwa in einem Video (leider ohne Ton) von der Ruhr.2010.

Junge Dichter und Denker

http://jdd-musik.de/

Ich bedanke mich bei dem „Kultur- und Bildungsprojekt von Kindern für Kinder“, dass es mein Zauberlehrlings-Rap-Farbschatten-„3-D“-Schattenvideo auf seiner Seite veröffentlicht hat: http://jdd-musik.de/musikvideo

Das Motto dieser bekannten Kinder-und Jugend-Rap-Gruppe „… damit Lernen wieder Spaß macht“ kann ich aus eigenem Unterrichten nur bestätigen!

Dirk Reinhardt

http://www.autor-dirk-reinhardt.de/

Den Besuch einer Lesung der „Edelweißpiraten“ von Dirk Reinhardt kann ich nur empfehlen. Wer mehr über den erfolgreichen Journalisten und Jugendbuchautor wissen möchte, schaut sich vielleicht zuerst einmal sein Pressematerial an, das in beeindruckender Vielfalt vorliegt. Herzlichen Glückwunsch zur Nominierung  von „Train Kids“ durch die Jugendjury zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2016!

Christiane Jopp

http://www.balduins-wundersame-buecherwelt.de/

Die Kinderbuchautorin Christiane Jopp hat mit dem ersten Band von „Balduins wundersame Bücherwelt – Der Hüter des verborgenen Pfades“ ein wunderbar sensibles Buch geschrieben, das Grundschüler miterleben lässt, wie man als Leser in ein Leseabenteuer hineingezogen werden kann. Sensibel deshalb, weil sie spannend für diese Altersgruppe schreibt, ohne die Kinder mit Spannung zu überfordern – ein kindgerechter und verantwortungsvoller Spagat, den man unserer Medienwelt häufiger wünschen würde. Zum Schluss erkennen die kleinen Leser: „Lesen macht viel mehr Spaß als ich gedacht hätte!“ Wohltuend, dass die ehemalige Grundschullehrerin das nicht mit erhobenem pädagogischen Zeigefinger erreicht, sondern durch die Kraft ihrer bildgewaltigen Sprache, die gleichzeitig Mut zu mehr Selbstbewusstsein macht. Dieses Buch wünsche ich jedem Kind, das noch Schwierigkeiten hat, die Welt der Bücher zu entdecken, und den Leseratten sowieso!

Peter Klohs

„Für Elise – 15 Briefe“ von Peter Klohs ist ein echtes Schatzkästlein im besten Sinne des Wortes: Musik zum Lesen!
Mit einer Sprachkraft, wie man sie sich als Autor nur wünschen kann, lässt Peter in kleinen Erzählungen bekannte und weniger bekannte Musikstücke lebendig werden. Durch diesen erzählerischen Kunstgriff erscheinen die Kompositionen in neuem Licht bzw. ermöglichen vielleicht sogar erstmals einen Zugang: auch in ihre innersten Strukturen. Dabei sind die 15 Briefe unterhaltsam und spannend; ja der vierte gleicht sogar einem Thriller, wie ihn Edgar Allan Poe nicht besser hätte schreiben können. Neulich traf ich Peter, weil wir gemeinsam eine Lesung besprechen wollten. Als er gefragt wurde, ob es nicht sinnvoll sei, die von ihm im Roman verarbeitete Musik auch per CD einzuspielen, zögerte er. „Ich weiß nicht, ob das nötig ist. Neulich sagte mir eine Leserin, dass sie beim Lesen des Buches die Musik gehört habe.“

Trotzdem: Sie können auf seiner Homepage etliche der Musikstücke aus seinem Roman anhören, und das ist ein ganz erheblicher Mehrwert für das Buch:
http://www.peterklohs.de/musik-inspiration/die-musik-zum-buch/

Natürlich können Sie das Buch auch kaufen:
https://buch-ist-mehr.de/buecher/fuer-elise

Wobei „Für Elise“ zu den Büchern gehört, von denen man immer zwei bis drei Exemplare auf Vorrat liegen haben sollte: für überraschende Geburtstagseinladungen usw. Denn ich bin sicher: Über dieses Buch freut sich jeder Musikliebhaber. Und wer wäre das nicht?

Zsolt Majsai und Kerstin Litterst

In einem – durchaus nicht unkritischen Artikel – über Lesergemeinschaften wie Lovelybooks eine Einschätzung zum Verlag 3.0: „Erst mit der Suchfunktion finden sich Kommentare zu anspruchsvollen Werken … die Hitliste der wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller nach 1945. Aktuell angeführt wird sie – wir sagen einmal: verdientermaßen – von Michael Ende, der sich knapp vorbeigeschoben hat an Susanne Ulrike Maria Albrecht, Urheberin des unterschätzten Meisterwerks „Verdächtige und andere Katastrophen“ im ebenfalls unterschätzten „Verlag 3.0 Zsolt Majsai. Dahinter folgen Patrick Süskind, Bernhard Schlink, Daniel Kehlmann und Günter Grass.“
(http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/lovelybooks-und-weitere-lese-communitys-13454583.html)

Herzlichen Glückwunsch, lieber Zsolt, zu diesem Kompliment, sogar im Feuilleton der FAZ. Wer jemals – wie ich als Autor – die Kreativität, das Engagement, ja, das Herzblut erleben durfte, mit dem der Verlag 3.0 seine Bücher herausbringt, der weiß, dass er in seinen Dank natürlich auch deine Lebensgefährtin Kerstin Litterst unbedingt einbeziehen muss: buch-ist-mehr.de .

Ellinor Wohlfeil

http://www.ellinor-wohlfeil.de/

Im November 2007 bekam Ellinor Wohlfeil den Literaturpreis des Freundeskreises Düsseldorfer Buch e.V. für ihr literarisches Gesamtwerk. Und wer die 90jährige einmal bei einer ihrer quicklebendigen, wunderbaren Lesungen erlebt hat, ist fasziniert von dem, was sie zu sagen hat: mahnend, in ihren Romanen als halbjüdische Zeitzeugin im Nationalsozialismus; aber auch hintergründig schmunzelnd, bei der Partnersuche, die mit einem entschiedenen „Ich bleibe sol0“ endet.

Aber hören Sie selbst:
https://buch-ist-mehr.de/portfolio/ellinor-wohlfeil

Dr. Florian Söll

http://www.florian-soell.de

Gemeinsam haben wir die ersten Farbschatten in der Natur entdeckt, in stundenlangen Gesprächen am Baldeneysee; und dann unsere Lehrerfortbildungen im In- und Ausland: Wir brachten das Schattentheater nach Venedig! Und natürlich unser Buch zum „Menschenschattenspiel“, seit 1986 erhältlich, und gerade in einer Neubearbeitung aktualisiert: beinahe ein Wunder, dass es das so lange gibt! Oder vielleicht nur ein Zeichen unserer Begeisterung für Qualität?

Denn die habe ich in unseren Begegnungen immer gespürt: mit Florian, dem ehemaligen Hauptschullehrer und emerierten Professor, dem Musiker und Künstler. Erleben Sie seine Ausstellungen, die er oft zusammen mit seiner Frau Beth Adams-Ray veranstaltet; erleben Sie seine Bilderbücher, z.B. hier:
http://r.roderfeld.de/soell/index.php?id=48

Monika Holstein

https://buch-ist-mehr.de/portfolio/monika-holstein

Die Germanistin und Verlagskauffrau kenne ich eigentlich als kompetente Lektorin, doch jetzt habe ich auch ihre schriftstellerischen Fähigkeiten entdeckt. In ihren Beiträgen zu „Paternoster – Vom Auf und Ab des Lebens“, deren einer der Anthologie den Titel gegeben hat:
https://buch-ist-mehr.de/buecher/paternoster-vom-auf-und-ab-des-lebens

Und den ich nicht als Prosa gelesen habe, sondern lyrisch :

Blick auf die Sprechpausen im Paternoster des Herzens, die eines Wortes bedurft hätte im Sinn von Erlösung – und es blieb vielfach aus.

Und auch ihr zweiter Beitrag, „Alterslose“, hat mich sehr berührt. Denn was kann schöner sein, als seine Kindheit und Jugend im Dschungel unserer übertechnisierten Welt wiederzufinden! Chapeau!

Hermann Schulz

https://buch-ist-mehr.de/portfolio/hermann-schulz

Hermann Schulz: Nachfolger von Johannes Rau als Leiter des Peter Hammer Verlages, mehrfach preisgekrönter Schriftsteller aus Wuppertal, Mitautor in der von Christian Oeleman herausgegebenen Paternoster-Anthologie. Gelesen habe ich seinen Jugendroman „Sonnennebel“: ein Buch über den 15jährigen Freddy im Ruhrgebiet der 50er Jahre und seine Orientierungslosigkeit; das mir beim Schreiben Orientierung gibt, weil ich mich in das Buch fallen lassen kann, wie sonst nur bei Siegfried Lenz.

Wärmstens empfehlen möchte ich auch seinen Jugendroman „Lady Happy und der Zauberer von Ukerewe„. Gerade im Augenblick, wo es in der Schule so sehr um die Integration von Flüchtlingen geht, empfinde ich Einblicke in die afrikanische Kultur aus erster Hand, wie Hermann Schulz sie uns ermöglicht, als sehr wertvoll; eine Abenteuerhandlung angesiedelt in der Kulturgeschichte Tansanias, ähnlich spannend wie bei Enyd Blyton: Ukurewe heißt seine „Insel der Abenteuer“, die er uns nicht nur durch seine wunderbar poetische Sprache nahe bringt, sondern auch Barbara Yelin mit ihren ausdrucksstarken Zeichnungen. 12,95 € sind für eine so liebevoll gestaltete Hardcover-Ausgabe mehr als angemessen. Ein Jugendroman also, der sich für die Klassenlektüre geradezu anbietet, auch wenn er über dem dafür üblichen Preisniveau liegt. Aber man kann ja das örtliche Geldinstitut um einen Zuschuss bitten, ich finde, es lohnt sich für diesen wunderbar-spannenden Blick nach Afrika, den Hermann Schulz seinen Lesern, auch den Erwachsenen, bietet … 🙂

Andrea Rings

https://www.andrearings.com

Es gibt Jugendbücher, die sollte man auch als Erwachsener lesen. Eines davon hat Andrea Rings geschrieben und wurde dafür direkt mit dem „Goldenen Pick“, einem wichtigen Literaturpreis, ausgezeichnet:

Parkour – Nur die Wahrheit ist unbezwingbar

Ein berührende Geschichte von einem abenteuerlustigen Jungen auf der Suche nach seiner verstorbenen Mutter: damit sein Vater leben kann! Fantasie oder Phantasie, die der Junge braucht, um diesen Kampf zu überstehen? Geschrieben jedenfalls in einer prägnanten und gleichzeitig poetisch-ausdrucksstarken Sprache – da beherrscht jemand die Kunst des Autorenhandwerks! Ich kenne Andrea von unserem wunderbaren Rhein-Ruhr-Stammtisch (im Essener Unperfekthaus) des Montségur-Autorenforums. Auch ansonsten ist sie in der Literaturszene sehr engagiert:

  • im YouTube-Projekt Autoren Dingsda,wo Kinder- und Jugendbuchautor*innen ihre Bücher vor stellen und von ihren Erfahrungen erzählen
  • beim Bundeskongress Kinderbuch
  • bei Lesungen und Schreibwerkstätten für Schulen

Auch FALCON – Gefahr aus der Luft (ISBN 978-3961291007) verdient 5 Sterne:

Mit ihrem neuen Jugendroman ist Andrea Rings ganz großes Kino gelungen, worauf schon das wunderbare Titelbild hindeutet; was aber im Übrigen auch wörtlich gemeint ist: Denn ihre bildreiche Sprachkunst ruft nicht nur nach Verfilmung; sie zieht den Leser ebenso in ein dramatisches Duell zwischen einem Falken namens Cosmo und einer ganzen Armada von Drohnen. So sehr, dass man das Buch bis zum fulminanten Showdown unter der Riesenkuppel des Berliner Sony-Centers nicht mehr aus der Hand legen möchte.

Cosmo wird von Lennart betreut und trainiert, einem 13-jährigen, der sich nach einem Umzug zunächst in der Großstadt zurechtfinden muss. Dabei hilft ihm die gleichaltrige und technikbegeisterte Vietnamesin Mai, die sich selber lieber Mia nennt. Als Cosmo schließlich beim Training eine Kamera-Drohne vom Himmel holt, beginnt ein spannendes Leseabenteuer, das Mädchen und Jungen gleichermaßen anspricht. Denn die beiden Kinder kommen der mysteriösen Firma PEREGRIN auf die Spur, die heimtückische Verbrechen plant. Dabei geht es auch um Zukunftsfragen von brennender Aktualität, wie etwa den Konflikt zwischen künstlicher Intelligenz und menschlicher Natur.

Wer (wie ich) die Abenteuer von Enid Blyton verschlungen hat und für seine Kinder nach etwas Ähnlichem sucht, nur eben auf dem Stand der heutigen Zeit, der möge es mit FALCON probieren; vielleicht sogar, indem man sich das Buch gegenseitig vorliest.

Am Ende von 317 fesselnden Seiten bleibt nur der Wunsch nach einer Fortsetzung, wie sie ja im Buch selbst auch angekündigt wird.

Sylvia Kaml

http://www.sylvia-kaml.de

Manchmal versucht man, es sich vorzustellen, wenn die Medien über die neuesten Klimaveränderungen berichten: Was werden unsere Kinder und Enkel erleben, wenn der Meeresspiegel steigt? Sylvia Kaml (übrigens auch Mitglied in unserem wunderbaren Rhein-Ruhr-Stammtisch des Montségur-Autorenforums) hat diese düstere Zukunft vorwegggenommen – um sich ihr entgegen zu stemmen! Wie der jugendliche Protagonist Nick Markers in einem ihrer Science-Fiction-Thriller „Die Verschwörung des Raben“.

Das große Europa ist zerbrochen, China wird zur alles beherrschenden Macht und die Nordseewellen reichen bis nach Nijmwegen, das zum Ghetto für die Verlierer der Klimakatastrophe wird. Und davon gibt es viele, so wie die Street-Ravens, die sich unter Führung des Kristof Korp von einer kleinen Straßengang zu einer mächtigen Organisation mit internationalen Kontakten entwickelt. Schon bald gerät auch Nick Markers in die Fänge dieser skrupellosen Bande, die sich ihre Mitglieder mit faschistoiden Mitteln gefügig macht.

Ein spannender Jugendroman mit eindringlich und vielschichtig gezeichneten Charakteren, die sogar dann anrühren, wenn sie das Böse auf dieser Welt personifizieren. Vielleicht war dies für mich auch gerade deshalb kein deprimierender Lesestoff, wie man es ja angesichts des Themas durchaus hätte erwarten können. Absolut lesenswert – auch für Erwachsene!

Peter Wohlleben

https://www.peter-wohlleben.de

Was kann passieren, wenn man sich auf den Wald-Kosmos von Peter einlässt? An der Stelle, von der das folgende Foto stammt, bin ich schon ungezählte Male vorbei gegangen, habe aber erst jetzt diesen vermutlich schon steinalten Baum-Knüller entdeckt:

Da hat sich also die Rinde dieses Ahorns den Maschendraht buchstäblich einverleibt. Ich vermutete zunächst eine Wunde, wie Peter dies in seinem Bestseller“Das geheime Leben der Bäume“ auf Seite 60 beschreibt. Aber dieser Fall lag anders, wie Peter mir erläuterte: „Der Baum hatte keine Wunde, sondern wurde dicker. Der Zaun war im Weg und wuchs daher mit ein – eine schmerzhafte Angelegenheit.“

Das ist es, was beim Lesen von Peters Büchern so fasziniert: Wo andere nur den Wirtschaftsfaktor Wald sehen, schreibt er den Pflanzen beinahe schon menschliche Eigenschaften zu und belegt dies mit detaillierten Forschungen aus aller Welt. Da entwickeln die Bäume Freude und Schmerzen, da helfen sie einander über ihr Wurzelwerk, da sorgt eine Baummutter sich um ihre Kinder.

Als Jugendlicher (ja sogar bis heute) hat mich die Mittelerde-Welt aus dem „Herrn der Ringe“ fasziniert, und dort auch besonders der geheimnisvolle Wald von Fangorn – für mich damals reine Fantasie. Nun aber, durch Peter, merke ich, dass J.R.R. Tolkien mit seinen Waldbeschreibungen viel näher an der Realität liegt, als ich mir das vorstellen konnte. Man muss Peter deswegen nicht direkt Ähnlichkeiten zu „Baumbart“, dem Hüter des Fangorn-Waldes, unterstellen. 🙂 Aber durch seine bildhafte, vermenschlichende Sprache, in der z. B. Pilze zum Internet des Waldes werden, erzeugt er bei mir einen ähnlich tiefen Sog hinein in die Natur wie ich das in der Tolkien-Saga erlebt habe. Ja, ich würde sogar sagen, dass dieses Sachbuch fast schon erzählerische Qualitäten entwickelt – nicht als Science-Fiction, sondern mit wissenschaftlich untermauerter Realität. Für mich kein Buch zum Einfach-So-Runterlesen; statt dessen lieber jeden Tag so ein zwei Kapitel (also Baum-Kurzgeschichten), und diese dann auf sich wirken lassen – am besten bei einem Waldspaziergang.

Ich mag auch Peter Wohllebens SWR-TV-Reihe „Der mit dem Wald spricht“ sehr. In der Sendung vom 6.11.2018 berichtet der Literaturkritiker Denis Scheck von der augenöffnenden Erfahrung der Waldwanderung mit Peter Wohlleben und dem Privileg, ihn kennenlernen zu dürfen. Ein Privileg, über das auch ich mich sehr freue: Wenn ich „unseren Peter“ (so sein Spitzname im  Montségur-Autorenforum) bei unserem regelmäßigen Autorenstammtisch erlebe und darüber staune, wie bescheiden man als Mensch bleiben kann – trotz solcher Millionen-Bestseller.

Andreas Séché

https://www.andreas-seche.de

Ist Ihnen schon einmal ein Buch begegnet, das Sie direkt noch einmal lesen müssten, sobald Sie den Schluss kennen? Um es wirklich zu verstehen? Doch dann merken Sie: Eine erneute Lektüre, Seite für Seite, ist gar nicht nötig. Sie müssen nur die Bilder und kunstvollen Sprachgebilde in Ihrem Inneren an sich vorbei ziehen lassen, wo sie unterschwellig bereits fest verankert sind.

Genau so habe ich die „Leuchtturmmusik“ des Schriftstellers und Journalisten Andreas Séché (ISBN 978-1549745904) erlebt. Für mich war dies kein Buch zum Schnell-Hintereinander-Lesen. Dazu ist es viel zu dicht und kunstvoll gewebt. Deshalb mochte ich auch die Aufteilung in etwa 50 Kapitelchen , die im Roman „Sandkörner“ heißen.

Oder habe ich bloß so langsam gelesen, weil ich mich vor dem offensichtlichen Ende gedrückt habe? Ganz in dem Sinne, wie es auf Seite 195 heißt: „Wir wissen, was kommt, aber wir glauben es nicht.

Keine Sorge: Das Ende ist nicht das, als was es zunächst erscheint. Die düsteren Schatten werden zu Farbschatten, ja zur Leuchtturmmusik.

Oder habe ich mir so viel Zeit gelassen, weil ich manche Sätze nicht einfach weiter- und damit plattlesen wollte? Wie diesen: „Und jetzt, wo ich rannte, während der Laden sich nicht von der Stelle rührte, kam mir in den Sinn, dass uns die Dinge, die wir als unser Leben missverstanden, oft nur an einem willkürlich gesetzten Pfahl in der unendlichen Landschaft unserer Möglichkeiten festbanden.

Am Ende seines Romans ehrt Andreas Séché den „großen Siegfried Lenz“. An Siegfried Lenz habe ich mich ebenfalls erinnert gefühlt – bei der Lektüre des Romans von Andreas, den ich von unserem Rhein-Ruhr-Stammtisch des Montségur-Autorenforums kenne.

Ach ja, und auf die nächste Löwenzahn-Invasion in unserem Garten, die ich bisher immer zu verhindern suchte, freue ich mich schon. Weshalb? Die Antwort finden Sie auf S. 240 …

Gesine Schulz

http://www.gesineschulz.com

Was haben der Weltputzfrauentag (jährlich am 8.11.) sowie der Jugendroman Eine Tüte grüner Wind (Carlsen Verlag 2002,  ISBN 3551362521) gemeinsam? Sie entstammen der Ideenschmiede von Gesine Schulz und dokumentieren damit gleichzeitig die Kreativität der Schriftstellerin mit einer Vorliebe für Krimis, Katzen, Gärten und Irland, die im Ruhrgebiet lebt und Mitglied unseres Rhein-Ruhr-Stammtisch des Montségur-Autorenforum ist; höchst beeindruckend auch die Bibliographie auf ihrer sehr ansprechend gestalteten Homepage.

Mit Eine Tüte grüner Wind (auch als Hörbuch und in mehreren Übersetzungen; außerdem mit kostenlos downloadbarem Unterrichtsmodell) ist ihr ein Longseller gelungen, bei dem ich nur eines bedauere: dass ich ihn erst jetzt, nach meiner Pensionierung als Lehrer, gelesen habe. Denn diese sensible und zu Herzen gehende Schilderung des Mädchens Lucy, die ein wenig Wärme in ihr Scheidungsschicksal bringen möchte, hätte einen Stammplatz in meinen Klassenbibliotheken gefunden; ganz besonders auch, da ich an Schulen mit Englisch als bilingualem Fach unterrichtet habe. Es sind sprachliche Meisterwerke, wie dieser Satz, die ganz leise berühren: Im Flur blieb sie stehen und starrte an die Decke, damit ihre Tränen nicht überliefen. Dennoch hat Gesine Schulz ein optimistisches Buch geschrieben, nicht nur für Scheidungskinder, sondern für alle Jugendlichen (ab 10 Jahren), denn es geht auch um die Loslösung vom Elternhaus. Dabei hilft Lucy ihre (angeblich) verrückte Tante, ein Haarfärbemittel aus dem Drogeriemarkt und ein wunderbarer Sommer in Irland.

Ob man den Roman auch als Erwachsener lesen sollte? Wenn man erfahren möchte, was Nixentränen sind auf jeden Fall; wobei dann die Gefahr besteht, dass keine Strandwanderung mehr sein wird wie vorher …

Axel Kruse

https://astrominc.de

Wenn Papst Franziskus anmahnt, dass auch „eine Expedition von Marsmännchen“ das Recht auf Taufe habe, ist das keine Science Fiction, sondern von dem Argentinier tatsächlich so verkündet. Wenn Axel Kruse, 2014 ausgezeichnet mit dem Deutschen Science Fiction Preis, diese Realität mit seiner Phantasie weiterdenkt und mit Lokalkolorit versieht, entsteht Fantasie (im Hier und Jetzt) im besten Sinne; wie sein Verschwörungsthriller LVDOWIGVS von Lüttelnau (Verlag p.machinery Michael Haitel 2019, ISBN 9783957651532).

Wer den Ruhrtalradweg herunterradelt, stößt, kurz vor Essen-Kettwig, auf den Kattenturm. Kaum jemand ahnt, dass er die Reste eines Rittergutes vor sich hat, der Burg Lüttelnau, was kleine Aue bedeutet. Um diese quadratische Turmruine aus unverputztem Ruhrsandstein ranken sich Erzählungen von einem sagenhaften Schatz und einem geheimnisvollen Stollen unter der Ruhr hindurch zum gegenüberliegenden Schloss Öfte, dem Lüttelnau einst als Gefängnis diente.

Wer wissen möchten, was die Orte Rothenburg ob der Tauber, den Vatikan in Rom, Orvieto in Oberitalien und Kettwig an der Ruhr miteinander verbindet, und warum Papst Benedikt wirklich zurückgetreten ist und wie Papst Franziskus sich dazu stellt, erhält darauf in dem excellent recherchierten Verschwörungsthriller eine spannende Antwort.

Fortsetzung folgt …