Kurze Einführung
Unter dem Stichwort “Stationenlernen” werden zur Zeit Unterrichtsformen neu bzw. wieder entdeckt, die die Aktivität und die Selbstverantwortung von Schüler/innen in den Vordergrund stellen – unterstützt durch geeignete Materialien. In der Veröffentlichung “Stationenlernen im Musikunterricht. Lernzirkel politisches Lied. Mit Audio CD und CD-Rom” (Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen 2001, S. 1) wird diese Lernform folgendermaßen skizziert.
- An den einzelnen Stationen sind verschiedene Organisationsformen möglich, wie z.B. Gruppen-, Partner-, oder Einzelarbeit.
- Häufig gibt es Pflichtaufgaben und frei wählbare Stationen.
- Es sollten Möglichkeiten der Selbstkontrolle vorhanden sein und verschiedene Lernkanäle angesprochen werden.
- In Bezug auf das Lerntempo sowie weitere Ergänzungen haben die Schüler/innen ein gewisses Maß an Freiheit.
- Als Lehrer/in ist man überwiegend Berater.
- Fächerübergreifende Themen sind für diese Unterrichtsform besonders geeignet.
Ergänzen sollte man meiner Ansicht nach: Wenn die Lerngruppe diese Arbeitsform beherrscht, dann hat ein solcher Unterricht, wenn man ihn einmal vorbereitet hat, durchaus auch entlastende Aspekte: Der Lehrer wird zunehmend zum Anreger und Ideengeber und hat Zeit, sich um die einzelnen Schüler/innen und ihre Interesse zu kümmern.
Stationenlernen mit dem Medienpaket “Die Klassenmusiker”
Die Idee zum Stationenlernen mit “Die Klassenmusiker” resultiert aus der Tatsache, dass Teile des Buches ausdrücklich für die Weitergabe an Schüler/innen konzipiert sind: Es gibt sogenannte Infoseiten mit anschaulichen Fotos und Grundinformationen zu den Instrumenten Schlagzeug, Percussion (Bongos, Congas, Cowbell, Claves, Schüttelrohr/Maracas und Schellenring), E-Bass, Gitarre und Keyboard. Es folgen jeweils Spieltechniken in Form von musikalischen Bausteinen. Diese können vielfältig miteinander zu Stücken kombiniert werden und liegen im Notenbild und als Hörbeispiele vor.
Meine Erfahrungen in einer Klasse 9 an der Gesamtschule
Angeregt durch eine Diskussion in der Mailingliste Schulmusik wollte ich erproben, inwieweit sich “Die Klassenmusiker” auch zum Stationenlernen eignen, und zwar in einer Klasse 9, die aufgrund ungünstiger Umstände bisher noch keine systematische Einführung in die Klassenmusiker-Instrumente erhalten hatte, aber sehr viel Interesse äußerte, diese zu spielen.
Unterrichtliche Voraussetzungen
Die Klasse besteht aus 30 Schüler/innen und hat zwei Einzelstunden Musik in der Woche. In einer dieser Stunden (diese hat sich mittlerweile zur “Praxisstunde” entwickelt) stehen mir im Idealfall fünf Räume in einem Flur (drei Musikräume, davon zwei Keyboardräume, sowie der Sammlungsraum und meistens die Schülerbücherei) zur Verfügung, in der anderen Stunde (diese hat sich mittlerweile zur ergänzenden “Theoriestunde” entwickelt) werden in diesem Bereich noch drei andere Klassen unterrichtet, so dass ich dann nur einen Raum habe, wobei ich aber nach kollegialer Absprache z.B. auch mal in einen Keyboardraum wechseln kann. Außerdem stehen mir ausreichend Instrumente sowie ein halber Klassensatz “Die Klassenmusiker” sowie ein transportabler CD Player mit der Klassenmusiker CD zur Verfügung.
Die Schüler/innen teilten sich nach Interesse in fünf etwa gleich große Gruppen auf: Schlagzeug, Percussion, E-Bass, Gitarre, Keyboard, wobei in der Praxisstunde die Gruppen E-Bass und Gitarre zeitweise denselben Raum benutzen mussten. Zu jedem Instrument gab es mehrere Stationen, wobei die Materialien, ergänzt durch mündliche Lehrereinweisungen, folgenden Quellen entstammen:
- die Infos, Bausteine und Songs dem Buch und der CD “Die Klassenmusiker”
- einige Kärtchen der Kartei “Endlich Noten lernen”
Stationen
Schlagzeug
Info 1: Das Drum Set in der Übersicht | alle Instrumente des Drum Set benennen können |
Info 2: Trommelstöcke und Jazzbesen | die Paukenhaltung erklären und spielen können |
Info 3: Bass Drum | die Fußmaschine erklären und spielen können |
Info 4: SnareDrum | die Anschlagtechnik 1 erklären und spielen können |
lnfo 5: RideCymbal | die Anschlagtechnik 1 erklären und spielen können |
Info 6: Hi-Hat | die Anschlagtechnik 1 erklären und spielen können |
Info 7: Crash Cymbal | die Anschlagtechnik 1 erklären und spielen können |
Baustein 1; Hörbeispiel 11 | mitsprechen und spielen können |
Dabei werden im Wechsel Viertel auf der Bass Drum und der Snare Drum gespielt. Wir nennen das Baustein 1. Hier als Beispiel dafür, wie das Material aufgebaut ist, eine vergrößerte Abbildung aus unserem Buch “Die Klassenmusiker” (S. 21) (alle Rechte bei den Autoren): 1. Zählzeit: Die Bass Drum wird mit dem rechten Fuss gespielt. |
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Baustein 2a / 2b; Hörbeispiel 12 / 13 | mitsprechen und spielen können |
Baustein 3a / 3b; Hörbeispiel 14 / 15 | mitsprechen und spielen können |
Percussion
Info 8: Bongos | Instrument und Schlagtechnik erklären können |
Info 9: Congas | Instrument und Schlagtechnik erklären können |
Info 10: Cowbell | Instrument und Schlagtechnik erklären können |
Info 11: Claves | Instrument und Schlagtechnik erklären können |
Info 12: Schüttelrohr/Maracas | Instrument und Schlagtechnik erklären können |
Info 13: Schellenring | Instrument und Schlagtechnik erklären können |
Bongo-Bausteine 1 – 4; Hörbeispiele 23-26 | mitsprechen und spielen können |
E-Bass
Info 14: Das Instrument | Einzelteile des E-Bass benennen können |
Info 15: Aufziehen der Saiten | erklären und vormachen können |
Info 16: Die Stimmung/Notation | die Saiten benennen können |
Lehrereinweisung: stimmen mit Stimmgerät | den E-Bass stimmen können |
Lehrereinweisung: Bassverstärker anschließen | E-Bass richtig anschließen können |
Info 17: Die Haltung beim Spielen | Grundhaltungen (Sitzen / Stehen) erklären können |
Info 18: Das Leersaitenspiel | Phase 1/2 erklären und spielen können |
Baustein 1- 3; Hörbeispiel 43 -45 | spielen können |
Kartei “Endlich Noten lernen”, Karten 124/127 | Basstabulatur erklären können |
Gitarre
Info 22: Die Konzertgitarre | Einzelteile der Gitarre benennen können |
Info 23: Die E-Gitarre | Unterschiede Gitarre / E-Gitarre erklären können |
Info 24: Die Stimmung/Notation; Kartei “Endlich Noten lernen” Karte Nr. 123 | die Saiten der Grundstimmung benennen können; Merkspruch kennen |
Lehrereinweisung: stimmen mit Stimmgerät | Gitarre stimmen können: Grundstimmung, E-Dur, A-Dur |
Info 25: Die Haltung der Konzertgitarre | die Haltung erklären können |
Info 26: Grundschläge | beide Schlagtechniken spielen können |
Baustein 1- 5; Hörbeispiel 47 -51 | spielen können |
Kartei “Endlich Noten lernen”, Karte 128 | Gitarren-Griffbild erklären können |
Keyboard
Info 28: Instrumentenkunde | erklären, was man beim Keyboard beachten muss |
Kartei “Endlich Noten lernen”, Lösungskarten 33, 35, 43 | Töne c1 bis h1 aufschreiben und auf der Keyboardtastatur spielen können |
Song 15; Hörbeispiel 68 | mit dem richtigen Fingersatz spielen können |
Song 16; Hörbeispiel 70 | mit dem richtigen Fingersatz spielen können |
Song 17; Hörbeispiel 72 | mit dem richtigen Fingersatz spielen können |
Alle Instrumente
Besonders wichtig: Gelingt es dir – über die vorgegebenen Bausteine hinaus – auch eigene Ideen für die Instrumente zu entwickeln und zu spielen? Beachte hierfür auch die Zusatzinformationen. (E-Bass: Info 19/20, Blueslauf in F; Gitarre: Info 27; Keyboard: Akkordtabelle) Kannst du eigene Arbeitsblätter für ein Instrument entwickeln, das du spielst? Zusatzleistungen: ……………………………… |
Erfahrungen
Das eigentliche Stationenlernen fand jeweils in der Praxisstunde statt. In der anderen, der sogenannten Theoriestunde, wurden mit allen Schüler/innen gemeinsam Inhalte erarbeitet, die für alle Instrumente gleichermaßen wichtig waren, etwa die Vorstellung des Konzeptes “Klassenmusiker”, einzuhaltende Ordnungsregeln, Wiederholung grundlegender Elemente der Notenlehre, gemeinsames und bewußtes Anhören der CD-Hörbeispiele usw. In diesen Stunden stellte ich ein ausgesprochenes Interesse auch an Theorie fest, so dass ich mich beim nächsten Mal, unabhängig von irgendwelchen Zwängen der Raumbelegung, wiederum für einen solchen Wechsel zwischen Plenum und Stationlernen entscheiden würde.
Schließlich wurde mit den Schüler/innen abgesprochen, dass zum Abschluss der Phase 1 die erarbeiteten Ergebnisse vor der Klasse vorgestellt und vom Lehrer benotet würden. (Nach meinen Erfahrungen ist den Schüler/innen eine solche Form der Leistungsbeurteilung viel lieber als ein wie auch immer gearteter schriftlicher Test. Man sollte dabei allerdings für eine möglichst akzeptierende Atmosphäre sorgen, damit das Präsentieren vor der Klasse nicht zu unnötigem Stress führt.)
Nachdem die meisten einige Stunden mit Begeisterung und Konzentration bei der Sache waren, kam es in einer Praxisstunde vermehrt zu Störungen, Regelüberschreitungen usw., so dass ich beschloss, diese abzubrechen und mit allen ein Gespräch zu führen. Dabei stellte sich heraus, dass die meisten sehr gerne weiter an den Stationen lernen wollten, und wir beschlossen, dass einzelne Schüler/innen, die sich nicht an die Regeln halten, entsprechend benotet werden sollten. Nach diesem Gespräch ging es wieder überwiegend konzentriert zu.
Meine Rolle als Lehrer bestand in den Praxisstunden darin, von Raum zu Raum zu gehen und Fragen zu beantworten, die sich aus dem Klassenmusiker-Material alleine nicht ohne Weiteres beantworten lassen, z.B.: Welches ist in der Abbildung auf S. 37 die dickste Saite? Was bedeuten die Zahlen unter den Noten auf S. 75?
Sehr positiv fiel das große Interesse auf, dass sich bei vielen Schüler/innen zu “ihrem” Instrument entwickelte, sichtbar daran, dass sie in ihrer Freizeit das offene Angebot unserer Schule, die sogenannte Mittagsmusik, intensiv nutzten, um weiter lernen zu können, meist auch über die vorgegebenen Bausteine hinaus: Sie wurden also kreativ, holten sich bei anderen Schüler/innen Anregungen usw.
Weiterführende Literatur zum Stationenlernen:
Wichtige Vorbemerkung
Internetseiten werden häufig neu organisiert, so dass es wenig Sinn macht, hier genaue Links anzugeben, weil diese unter Umständen schnell veralten. Sie finden deshalb im Folgenden meist die Startseiten; dort können Sie dann im Suchfeld den entsprechenden Begriff eingeben und die entsprechenden Seiten finden. (Leider ein etwas umständliches Verfahren, aber besser, als wenn Sie beim Anklicken ständig Fehlermeldungen erhalten, dass die Seite nicht gefunden wird, obwohl das Material auf dem Server noch vorhanden ist!)
Musik Impulse Journal – MIP
Im “Musik Impulse Journal – MIP” (einer sehr engagierten und empfehlenswerten Praxiszeitschrift für den Musikunterricht aus dem Helbling Verlag (www.helbling.com) finden sich immer wieder gute Vorschläge zum Stationenlernen, die durch Materialien auf den dazu gehörigen CDs ergänzt werden:
- Heft 5/2002: Lernzirkel “Wiener Klassik”
- Heft 9/2004: Lernzirkel “Ein Komponist der Romatik: Antonin Dvorak”
- Heft 12/2005: Lernzirkel “Barock”. Dort schreiben die Autoren auf S. 60: “Die acht Lernstationen bieten in erster Linie Praxismaterialien für die kognitive Auseinandersetzung mit dieser kulturgeschichtlich bedeutenden Epoche. […] Es ist daher unbedingt zu empfehlen den Lernzirkel durch entsprechende praktische Aktivitäten zu ergänzen.” Dazu bieten sich z.B. “Die Klassenmusiker” an, wo man die “Eurovisionsmelodie” (S. 77) und als Einsteiger Barock den Kanon von Pachelbel für das Klassenmusizieren (S. 89-91) findet, auf der dazugehörigen CD außerdem die Arrangements sowie entsprechende Mitspielstücke.
Lugert Verlag
Der Lugert Verlag gibt eine eigene Reihe, jeweils mit CD, zum Stationenlernen heraus, bisher zu folgenden Themen:
- Tanz
- Sinfonische Dichtung
- Haydn & Mozart
- Beethoven und Schubert
- Händel und Bach
- Impressionismus
- Minimal Music
- Strawinsky
- Polyphonie
- Romantik
- Konzert
Akademie für Lehrerfortbildung
Bei der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen sind folgende Veröffentlichungen zum Stationenlernen, ebenfalls jeweils mit CD, erschienen:
- Politisches Lied
- Spielerische Musiklehre – Musik des 20. Jahrhunderts – Polyphonie
- Musik und Sprache – Musik der Klassik
- Latin Music
- Pop und Rock in den 70er und 80er Jahren
Weitere Literaturhinweise
- Markus Brenk: ‚Du habest und hörest die anderen Instrumenta alle miteinander‘. 13 Lernstationen zum Thema ‚Orgel‘, in Musik und Bildung, Heft 1/2005, S. 40-47
- Martina Claus-Bachmann: „Lernzirkel und Musikunterricht“, in Musikunterricht heute, hrsg. von Johannes Bähr und Volker Schütz, Oldershausen, S. 85-95 (Verflechtungen mit Physik)
- Tim Büchsenschütz: „Aus der Kiste in die Klasse.Das Programm Band-in-a-Box im Musikunterricht“, in: Musikunterricht heute, Bd. 4: Musik in den Medien – Medien in der Musik, Oldershausen, S. 165 und pdf (20 S.) auf CD-ROM
- Jürgen Färber: Hip-Hop, Bytes & coole Beats. Klassenmusizieren mit dem Computer, Oldershausen (speziell zum Stationenlernen S. 3 ff., auch für Grundschule geeignet)
- Sommer, Johannes-Michael. Die ganze Klasse macht Musik! In: Grundschule Musik 11/1999. S. 28-36.
- Rubisch, Andreas / Reiners, Uwe. Hindemith per Mausklick. SchülerInnen gestalten Lernstationen am Computer. In: Musik und Bildung (33). H. 1/2001, S. 50-52.
- Reiners, Uwe/Rubisch, Andreas. SE.GE.L. – Selbstgestaltetes Lernen. In: Musikunterricht heute 3. Beiträge zur Praxis und Theorie. Hg. von P. Börs und V. Schütz. Oldershausen 1999. S. 204-216. (zusammen mit Uwe Reiners)
Stationenlernen und Gesang
Hervorragende Erfahrungen habe ich mit Liederbüchern aus dem Helbling Verlag gemacht (www.helbling.com): “Highlights of Rock & Pop” sowie “Sing & Swing”, zu denen es hervorragende Playback CDs (“Karaoke”) gibt. Die Schüler/innen können sich in Gruppen ihr Lieblingslied (und davon gibt es viele in den Büchern) aussuchen und dann gemeinsam einüben bzw. sich von den vielen zusätzlichen Hinweisen anregen lassen.
Nicht ausdrücklich ausgewiesen für das Stationenlernen, aber denn sehr gut geeignet dafür sind die folgenden Materialien von Renate und Walter Kern aus dem gleichen Verlag:
- Klassik aktiv 1
- Haydn für die Schule
- Mozart für die Schule
- Beethoven für die Schule